Rezensionen
PORTRAIT XXL
Wenn Anna mit pink-farbigem Haar und Lippenpiercing zum elitären Abi-Ball erscheint, ist das Ausdruck einer ganzen Generation. Wenn sich Menschen in Facebook, Twitter und Co. virtuell begegnen, ist das das Lebensgefühl von heute. Es ist lebendig, schnell und voller visueller Eindrücke.
Carola Paschold ist fasziniert von den Ausprägungen unserer Zeit. Sie spürt der Flut der ständig wechselnden Eindrücke nach, sichtet die Medien und die Werbung, hört die aktuelle Musik, sieht die angesagten Filme, klickt sich durchs Netz und nimmt teil an den Lebenswelten ihrer jungen Töchter. Dabei ist sie stets auf der Suche nach ausdrucksstarken Menschen, die das Jetzt-Gefühl authentisch transportieren. Diese Menschen bannt sie in ihren großformatigen Bildern Portrait XXL als Ikonen ihrer Zeit. Die Menschen sind anonyme Modelle aus der Werbung, Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Medien, Menschen mit Migrationshintergrund, Teenager, Schauspieler und Sänger. Es sind Gesichter unserer Zeit, – wie Anna.
Carola Pascholds Malereien sind dynamisch und vibrieren. Sie leuchten von innen heraus. Die Malweise reflektiert die Ästhetik der Popkultur. Damit verweist Carola Paschold auf ein Merkmal der Gegenwart, die populär kulturelle Ausprägung aller Lebensbereiche, von Infotainment bis hin zu Superstar. Die extremen Formate der Bilder zitieren die Dimensionen von Großbilddisplays und Werbeleinwänden, wie sie beispielsweise im Außenbereich an Häuserwänden über mehrere Stockwerke hinweg zu finden sind. Der Titel der Werkreihe greift damit ein weiteres Phänomen der Gegenwart auf, die visuelle Ausuferung über traditionelle Bildgrenzen hinweg in den öffentlichen Raum hinein.
Mit Portrait XXL lotet Carola Paschold diese Überlagerung verschiedener kultureller und künstlerischer Sphären aus, verbunden mit ihren sich ständig verschiebenden Wertigkeiten. Portrait XXL sind Portraits unserer sich wandelnden Gegenwart, verkörpert durch Menschen, als Posing and Action Subjects, als Various Actors und Unknowing Objects. Portrait XXL ist kollektives Bildgedächtnis.
Dr. Stefanie Lucci, 2012
NY – I LOVE YOU
Pascholds Werke bestechen seit jeher durch ihre kompositorische Eigenleistung und handwerklichen Perfektionismus. Carola Paschold arbeitet, denkt und fühlt am Puls der Zeit. Sämtliche Werke sind frei Hand geschaffen – ja, zum Teil auf Anregung durch fotografische Vorlagen, aber nie ausgehend vom Fotodruck. Die Idee, die Pascholds Arbeiten zugrunde liegt, zeigt etwas Neues auf, das eher der Postmoderne und der Auffassung vom Verhältnis von Malerei und Fotografie zugeordnet werden kann. Ihre Gemälde konterkarieren fotorealistische Malerei, indem Paschold mit den Mitteln der Malerei deren illusionistische Funktion der Wirklichkeitsdarstellung bricht und sie in ihren aktuellen Arbeiten bis zur Unkenntlichkeit verfremdet und abstrahiert. Es entsteht eine autonome Wirklichkeit des Bildes.
In Carola Pascholds neuen NY-Arbeiten erhält die kompositorische Eigenleistung ein immer stärkeres Gewicht. Ihr Werk, das Zeitgeschehen pur und Zeugnis der Schnelllebigkeit unserer Zeit ist. Ihre neuen Arbeiten spiegeln die Faszination, die NY auf Menschen ausüben kann. Sie zeigen die Kreativität, Dynamik und vor allem die Energie, die in dieser Stadt zu spüren ist. Formal verwendet sie Gestaltungsmittel, die-wenn man den Vergleich sucht-zur neuen POP ART führen. Gleichzeitig finden sich aber auch Einflüsse der Street Art. Doch unter dem Strich steht: Dies ist Carola Pascholds ganz und gar eigener Stil-ein unverwechselbarer, individueller und eigenwilliger künstlerischer Ausdruck.
Dr. Klaudia Nebelin, 2015
STARKE FRAUEN
An Carola Pascholds Werken kann man nicht einfach vorbeigehen, ganz gleich in welchem Ambiente sie gezeigt werden. Der ganze Raum vibriert, die Bilder sind so stark, dass sie sich mühelos in jeder Umgebung durchsetzen. Wie Energiezentren saugen und ziehen sie den Blick auf sich, sie wirken alle zusammen stark und doch steht auch jedes ganz für sich. In einer Ausstellung von Carola Paschold können wir an einer Galerie bemerkenswerter Frauengesichter- und Gestalten entlang schreiten. Einige erkennt man sofort. Sie porträtierte Angela Merkel in warmen Farbtönen als sympathisch lächelnde Frau, den Bildausschnitt ganz auf das Gesicht fokussiert. Die Filmstars Romy Schneider und Audrey Hepburn oder das ikonische Gesicht der mexikanischen Malerin Frida Kahlo werden als zeitlose Schönheiten voller Selbstbewusstsein inszeniert.
Nicht weniger faszinierend sind die Darstellungen unbekannter Frauen: So die elegante Dame im roten Sportwagen, die einem Fünfziger Jahre – Film entsprungen zu sein scheint, oder die kessen jungen Frauen, die mit sichtlich Spaß ein Auto bekritzeln oder lässig vor der Skyline New Yorks posieren. Von all diesen Bildern geht eine ungeheure Lebendigkeit aus, eine ansteckende Energie. Und eine zeitlose Präsenz, der man sich kaum entziehen kann. Woran liegt das? Zum einen an der virtuosen Malweise der aus Mönchengladbach stammenden Künstlerin. Mit großer Feinheit bringt sie ihre Farben auf die Leinwand, oszilliert zwischen fotografischer Präzision und gesplittert oder leicht abstrahiert wirkenden Bildpartien.
So unterscheidet sie sich vom reinen Fotorealismus und schafft ihre ganz eigene künstlerische Sprache. Sie malt frei und nicht wie oft üblich auf fotografischer Vorlage. Manchmal baut sie kleine Störfelder ein, die beim ersten Blick nicht auffallen, aber doch Wirkung zeigen und die Plastizität und Strahlkraft der Bilder erhöhen: Im dunklen Haar von Audrey Hepburn sind einzelne weiße, grüne, gelbe und violette Strähnen eingebaut, die Lippen einiger Frauen sind von feinen weißen Strichen genau konturiert, und die Haare ihrer blonden Modelle sind immer auch aus einem erheblichen Anteil schwarzer und weißer Farbe komponiert.
Möchte man Carola Paschold einer bestimmten künstlerischen Richtung zuordnen, so würde man sie formal der Pop Art mit Einflüssen der Street Art zurechnen. Stets benutzt sie Ölfarbe, kein Acryl. Es dauert lange, bis die einzelnen Farbschichten getrocknet sind und ihren glatten, eleganten Glanz verstrahlen. Neben dieser Meisterschaft der Malweise sind es die ungebrochenen und klaren Farben, deren Leuchten von innen heraus zu kommen scheint. Und dann ist da noch etwas:
Die ausdrucksstarken Augen der Dargestellten. Viele der Frauen schauen den Betrachter direkt und unverblümt, ja nahezu herausfordernd an. Damit kehren sie unsere Rolle um: Wir werden vom Betrachter zum Betrachteten, vom Zuschauer zum Werk. So zum Beispiel die junge Blondine mit dem Blumenkranz im Haar: Im schwarzen Spitzenkleid, die Hand kokett im Haar spielend, sieht sie uns wach und aufmerksam mit ihren hellgrünen Augen an.
Der Wald hinter ihr ist in gebrochenem Schwarz-Weiß wie in einem Negativ dargestellt. Von rechts schleicht sich ein Wolf heran. Aus dem Märchen „Rotkäppchen“ haben wir ihn alle in nicht allzu guter Erinnerung. Aber angesichts des Blickes der jungen Frau bin ich mir sicher, dass es diesmal für den Wolf schlecht ausgeht. Oder ist der Wolf nur ein Sinnbild für die verborgene Wildheit, die in dem Mädchen selbst steckt? Der Wolf hat exakt dieselbe hellgrüne Augenfarbe wie die Dargestellte…
Paschold gibt all ihren Figuren ein immenses Selbstbewusstsein, es sind starke, unabhängige Frauen, die fest im Leben stehen. In der klaren Bildsprache an Werbung erinnernd und in den flirrenden, wie gepixelten Bildelementen auf die Schnelllebigkeit und die Bilderflut unserer Zeit anspielend, setzt sie dieser atemlosen Dynamik doch etwas entgegen: Carola Paschold fängt einen Augenblick im Leben der Dargestellten ein, hält ihn in strahlenden Farben auf ewig fest. Sie macht ihre Geschlechtsgenossinnen und deren Stärke unsterblich.
Dr. Dorothee Achenbach, 2020